Schmallenberg

84 Ortsteile verteilen sich auf dem Stadtgebiet von Schmallenberg – der flächengrößten Gemeinde in Nordrhein-Westfalen. Manche davon sind so klein, dass ihre Einwohnerzahl einstellig ist. Dazwischen gibt es viel Platz für Natur und nächtliche Dunkelheit. Deshalb bietet das Schmallenberger Sauerland gerade im Winter bei klarem Wetter einen Sternenhimmel wie nur wenige andere Regionen in Deutschland. 

Sternennähe 

„Je kälter der Wintertag, desto klarer der Himmel“, so lautet eine alte Hobbyastronomenweisheit. An einem wirklich sehr kalten Wintertag wollen wir das einmal überprüfen. 

Einladend fällt warmes Licht aus den Fenstern des Schäferhofs im Schmallenberger Ortsteil Jagdhaus. Wir folgen der Einladung und finden einen Platz direkt vor dem Kamin. Das ist genau die richtige Atmosphäre für einen gemütlichen Ausklang des Tages mit winterlichen Getränken, wohliger Wärme und langsam aufkommender Schläfrigkeit. So gemütlich es ist, es passt nicht zu unseren weiteren Plänen. Wir sind nur hier, um Wärme zu tanken. Wir haben nämlich den Verdacht, dass wir sie brauchen könnten. Das eigentliche Programm des Tages beginnt erst nach dem Aufwärmen am Kamin. 





Zwei Frauen wandern im Winterlicht

In einer Hütte unterhalb des Schmallenberger Skiliftes erwartet uns Stefan Schwope. Er gehört zu den „Heimatfreunden“, einer Gruppe von Einheimischen, die kleinste Gruppen von Gästen an ihren Hobbys, ihrer Arbeit oder einfach ihrem Alltag Teil haben lassen. Von der Gassirunde mit dem bekanntesten Zeitschriftenverleger des Sauerlandes über eine Pirsch mit einer Jägerin, einem Plausch in einem zauberhaften Garten und einer Wanderung mit Käse und Wein reicht das Angebot bis zum Kräuter-Kochkurs. Das innovative und vor allem sehr individuelle Angebot hat den Schmallenberger Heimatfreunden den ADAC-Tourismuspreis für NRW eingebracht. Über die Webseite des Schmallenberger Sauerland Tourismus können die Besuche bei den Heimatfreunden gebucht werden.  

Zunächst einmal lädt uns unser Gastgeber Stefan Schwope in die gute Stube seines liebevoll restaurierten Häuschens ein. Skurriles und Technisches steht hier in jedem freien Winkel. Das Spiegelteleskop in einer Ecke ist so groß, dass wir uns fragen, wie er es in das Zimmerchen hineinbekommen hat. Davor liegt ein leuchtendes Modell des Mondes. Blinkende, technische Geräte mit für den Laien vollkommen unergründlicher Funktion erinnern an Roboterteile. Astronomische Bücher, Sternkarten und 3D-gedruckte Modelle von Mondkratern runden das Bild ab. 

Mit unerschütterlicher Fröhlichkeit, Begeisterung, Humor und vor allem großem Sachverstand erklärt er uns geduldig die Funktionen der Geräte, die uns gleich hinaus auf die Sauerländer Berge begleiten sollen. Eines der im 3D-Drucker entstandenen Modelle auf dem Tisch zeigt allerdings wohl doch keinen Berg auf dem Mond. „Das ist der Wilzenberg“, stellt Stefan Schwope klar, „und knapp daneben steht die Skulptur Blinker II am Waldskulpturenweg. Da wollen wir gleich hin.“  

Der Waldskulpturenweg ist ein Wanderweg von Schmallenberg nach Bad Berleburg, an dem elf moderne Großplastiken international bekannter Künstler aufgestellt sind. Der Blinker II steht auf einem Bergsattel zwischen Grafschaft und Almert, direkt neben dem Wilzenberg. Die Orte zu seinen Füßen liegen so tief im Tal, dass ihr Licht nicht stört – zumindest nicht in einer so extrem klaren Nacht wie dieser. Dunst in der Luft würde natürlich das Licht aus den Tälern nach oben saugen, aber bei unter -20ºC ist kein Dunst mehr da. 

In dieser Nacht ist der Himmel wirklich klar. Nur ein Wolkenband vom Wilzenberg genau durch den Zenit über uns meinen wir entdeckt zu haben. Da muss Stefan Schwope schmunzeln: „Das ist keine Wolke sondern die Milchstraße, unsere Heimatgalaxie. Um sie mit bloßem Auge zu sehen, muss es schon ordentlich klar und dunkel sein.“ Entsprechend ordentlich ist es wohl, jedenfalls beginnen wir ordentlich zu frieren, während Stefan Schwope zunächst sein kleineres Teleskop auf irgendeinen Fleck zwischen den Sternen ausrichtet. „Und das hier ist Andromeda, unsere Nachbargalaxie“, erfahren wir, „die nimmt am Nachthimmel fast so viel Fläche ein wie die Scheibe des Vollmonds.“ Keiner von uns wusste das, wir dachten, ferne Galaxien seien auch nur Punkte am Nachthimmel. Die Sache wird so faszinierend, dass die Temperaturen vergessen sind. 





Drei Menschen sitzen im Unterstand im Dunkeln, in der Ferne leuchten die Lichter eines Dorfes

Vor ein paar Jahren hat mir mal ein Besucher einer Polarlicht-Fotoausstellung vorgeworfen, die Bilder seien im Computer generiert. Seine Begründung für den Verdacht war: So viele Sterne, wie auf den Bildern zu sehen seien, gäbe es doch gar nicht. Was würde dieser skeptische Stadtbewohner wohl sagen, wenn er sehen könnte, was sich jetzt über uns spannt: ein Meer aus Milliarden leuchtender Punkte und ganz schwach schimmernder Flecken. Der Blick auf den Winterhimmel ist eine Attraktion des Sauerlandes. 

Inzwischen zielt das größere Teleskop auf einen dieser Flecken. Er ist knapp unterhalb der aus drei Sternen gebildeten Mittellinie in einem etwas schiefen Rechteck aus besonders hell leuchtenden Sternen zu sehen. Leider können wir nicht hindurchschauen. Am Teleskop ist eine Kamera montiert. Die Ausrichtung des Gerätes ist absolute Millimeterarbeit, schließlich muss die Kamera eine ganze Weile belichten, um zum Vorschein zu bringen, was Stefan Schwope uns zeigen will. Weil die Erde derweil nicht stillsteht, sondern sich unter dem Sternenhimmel dreht, muss das Teleskop durch eine ausgeklügelte Technik nachgeführt werden, um das Motiv im Sucher zu behalten. Die dafür nötige Vorrichtung hat der Tüftler in Stefan Schwope selbst entworfen und gebaut. Als das fertige Bild dann auf dem Laptopmonitor unter dem Teleskopstativ zum Vorschein kommt, staunen wir nicht schlecht über die Farbenpracht – wir sehen den Orionnebel, einen kosmischen Gasnebel zwischen den Sternen in leuchtenden Farben. 

Derweil schaut Stefan Schwope durch ein viel kleineres, optisches Gerät. „Wollt Ihr mal sehen, was da raschelt?“, fragt er, „Das sind Rehe auf der Wiese gleich unter uns.“ Mit seinem Nachtsichtgerät können wir beobachten, wer uns da gerade beobachtet. Aus irgendeinem Grund sind unsere Finger etwas zu steif, um das Gerät richtig zu halten, aber vor lauter Begeisterung fällt uns gerade nicht ein, woran das liegen könnte. 

Klaus-Peter Kappest





Eine Frau entspannt mit einem heißen Tee vor dem Kamin




Drei Menschen schauen auf ein leuchtenes Mondmodell als Vorbereitung zum Sternegecken

Winterliche Wohlfühlwandertipps in Schmallenberg

Videoimpressionen zum Winterlicht in Schmallenberg

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