Der Diemelsee ist ein Freizeit-Wasserparadies wie kein anderer Stausee im Sauerland, nirgends sonst im Sauerland können Wandernde so steil von natürlichen Felsen auf einen See schauen, die Dörfer haben rote statt schiefergrauer Dächer und in keinem anderen Teil der Region gibt es so viele romanische Kirchen.
Sauberes, frisches, offenes Wasser - schon allein der Anblick bringt das Gehirn in den Urlaubsmodus. Strände, Bademöglichkeiten und Bootsverkehr am Rande des Sauerlandes - das ist der Diemelsee.
Die heißesten Tage des Sommers haben viele Sauerländer und Gäste an den einzigen See der Region gelockt, auf dem man uneingeschränkt dem Wasser-Freizeit-Sport nachgehen darf. Der Stausee dient nur der Regulierung des Wasserstandes in der Weser. Hier wird nicht, wie in den meisten anderen Sauerländer Stauseen, auch Trinkwasser produziert - gut für uns, denn so können wir uns die Füße am Ufer kühlen, bevor wir zu unserer Panoramatour aufbrechen.
Die erste Etappe ist die bequemste. Mit der M/S St. Muffert geht es quer über den See zur Staumauer. Stefan Koch, der Kapitän und Schiffseigner, hat gleich noch ein paar Tipps für mich, wo die schönsten Ausblicke zu finden sind: „Mein Schiff ist nach dem felsigen Aussichtspunkt da oben benannt.“ Dabei zeigt er fast senkrecht nach oben in den Wald. „Aber vom Eisenberg - das ist da, wo Sie gleich den Berg hinauf kraxeln werden - gibt es auch zwei tolle Aussichtspunkte. Das sind eigentlich meine Lieblingsplätze.“ Dann muss er erst mal wieder zum Mikrofon greifen und auch den übrigen Passagieren erzählen, was es links und rechts alles zu sehen gibt. „Links von uns liegt jetzt der Itter-Arm des Diemelsees. Sein hinterer Teil ist Naturschutzgebiet. Das ist einer der wenigen Teile des Sees, wo man nicht baden und bootfahren darf.“ Er ist mit Leib und Seele Schiffskapitän und freut sich vor allem auch über die Wanderer und Wanderinnen, die seinen „Passagierdampfer“ als Wandertaxi benutzen.
In Serpentinen geht es dann zu Fuß auf den Eisenberg hinauf. Mehrfach öffnet sich der Blick, mal auf die Kirchtürme von Padberg inmitten Sauerländer Berge, mal aufs offene Wasser und mal in die sanft geschwungene, offene Wiesenlandschaft des Waldecker Landes. Kurz vor Sonnenuntergang kommt die Belohnung für die Kraxelei: St. Muffert. Ein Bilderrahmen aus Bäumen umspannt den Blick über die beiden Arme des Diemelsees, während rechts zwischen den Bäumen die Sonne versinkt. Dieser exponierte Felsen über dem See ist wirklich ein Sauerland-Seelenort.
Nach einer solchen Bergtour freue ich mich doppelt auf das gemütliche Quartier in einem der Dörfer. Die Dörfer am Diemelsee sehen anders aus als im übrigen Sauerland. Die Dächer sind rot, das Fachwerk ist braun, rot oder schwarz - alles ist bunt. Doch vor allem die Kirchen fallen auf: nirgends sonst in der Region gibt es so viele uralte, romanische Kirchen aus dem Hochmittelalter. Direkt neben einer davon schließt mir Helmut Walter die Tür zur zukünftigen Klosterherberge in Flechtdorf auf. „Das war hier immer eine extrem arme Gegend. Im späten Mittelalter, als überall neue, gotische Kirchen gebaut wurden, konnten wir uns keine leisten. Dann kam hier die Reformation und man legte zunächst nicht mehr so viel Wert auf schmucke Kirchen. Und als man dann später Wert darauflegte, war wieder kein Geld da. Heute freuen wir uns über die baulichen Kleinode, die uns geblieben sind.“
Eines der wertvollsten Kleinode der Region renoviert Helmut Walter zusammen mit ein paar anderen Rentnern und engagierten Bürgern aus Flechtdorf. Neben der Kirche ist hier noch einiges übrig geblieben von der ehemaligen Benediktinerabtei aus dem 12. Jahrhundert. Mit einem riesigen Schlüssel öffnet er am Ende einer schiefen Holztreppe eine Eichentür in rostigen Angeln. Dahinter öffnet sich ein Saal mit rohen Steinwänden und unebenem Boden. „Das war das Dormitorium der Laienbrüder,“ erzählt der 1. Vorsitzende des Kloster-Fördervereins. „Als wir es von dem Bauern übernommen haben, dem das Haus früher gehörte, war der Saal bis unters Dach voller Heu. Die unterste Lage stammte wohl noch aus der Zeit vor dem 2. Weltkrieg. In einer Ecke haben wir unter dem Heu brisantes Material gefunden, das man wohl bei Kriegsende vor den Alliierten dort versteckt hat. Leider war nichts Wertvolles dabei. Das Heu war übrigens noch in Ordnung. Die Bauern aus dem Dorf konnten es verfüttern.“
Noch kann der Saal nicht genutzt werden, denn die Decke ist etwas baufällig. Die Renovierung ist das nächste Projekt des Vereins. In einem anderen Gebäudeteil ist eine Wanderherberge bald bezugsfertig: einfache Klosterzellen entstehen hier, die Einrichtung ein geschmackvoller Mix aus neu und alt, kein Komfort aber dafür tolle Geschichten vom Gastgeber über ermordete Äbte und finstere Klosterintrigen. Wer braucht bei so viel Kopfkino einen Fernseher? Perfekt für alle, die mal ganz anders übernachten wollen. Am Diemelsee ist eben alles ein bisschen anders.