Brilon-Alme (51.449413 | 8.622434)
Es ist still. Jetzt um die Mittagszeit scheinen die Singvögel zu schläfrig für Konzerte zu sein. Der frische Duft von Wasserminze begleitet mich, Sträuße von Mädesüß lassen die Luft nach Honig und Vanille schmecken.
Von Süden kommend, wandere ich durch das schluchtartige Mühlental, auf Alme zu. Keine Mühle ist zu sehen, kein Bach, nach dem das Dorf benannt wurde. Auf der Suche nach dessen Quelle folge ich einem trockenen Bachbett, das in sanften Kurven nach Norden führt. Meine Idee von einer Quelle sieht so aus: Da gibt es eine kleine Mauer, heraus lugt ein Wasserspeier, dessen dünner Strahl in ein Becken fließt, darüber das Schild „XY Quelle“.
Hinter einem der Mäander erlebe ich etwas, das meine Vorstellungen komplett über den Haufen wirft. Das Wunder einer Geburt: Erst ist da nichts außer Staub und Steinen. Ein paar Meter weiter nur zeigt sich ein Schimmer, der die grauen Steine silbern färbt. Dann glitzert es stärker, überall ein Rinnen und Rieseln, ohne dass etwas zu hören wäre, so als hätte jemand den Ton abgedreht. Nur zwei, drei Schritte weiter wird das Wasser quirliger. Luftbläschen drängen wie Perlenschnüre von unten herauf und kräuseln in kleinen Kreisen die Oberfläche. Wahrlich, diese Quelle sprudelt.
Jetzt beginnt die Alme, Geräusche zu machen. Sie säuselt, seufzt, blubbert. Sie wächst schnell. Ein paar Meter weiter erlebe ich sie schon als jemanden, der eine ziemliche Welle schiebt und mit pubertierendem Tosen auf sich aufmerksam macht. Wie sammelt sie diese Kraft? Woher kommt all das Wasser? Nach weiteren Gehminuten wächst sich die Quelle zu einem mehrere Meter breiten, unbändig strömenden Bach aus. Gemeinsam erreichen wir einen großen, aufgestauten Teich am Dorfrand. Die Alme wird still, als wolle sie sich besinnen. Und behält doch ihre angeborene Munterkeit. Mit aufsteigenden Bläschen und Ringen auf dem glasklaren Wasser verrät sie weitere unterirdische Zuflüsse, die sie nähren. Auch der Teich ist Quelle.
Ich bin mit einem Bewohner von Alme verabredet, der mir diesen Seelenort erklären will. Wolfgang Kraft engagiert sich ehrenamtlich in der Alme AG. Der Verein will das Dorf lebendig erhalten, dem Sog der nahen Städte zum Trotz. Die Anziehungskraft, die die Quellen auf Spaziergänger und Fernwanderer ausüben, spielt dabei eine wichtige Rolle; auch die örtlichen Gasthäuser profitieren davon.
Kraft beschreibt das Wunder der Alme-Geburt so: Das Tal liege am Rande der Briloner Hochfläche, die in der Tiefe aus so genanntem Massekalk besteht. Der ist vor 350 Millionen Jahren hier abgelagert worden, von den Schalen absterbender Korallen, als alles hier Meer war. Der hohe Anteil an Kalk im Boden ist leicht auswaschbar, sodass die umgebenden Berge und Hügel im Inneren rissig und löcherig wurden. Regenwasser sammelt sich unterirdisch, und weil es sich im Mühlental an einer Schicht aus undurchlässigem Schiefer staut, tritt es hier zutage. Fazit: Eigentlich entspringt die Alme einem Ozean.
Wolfgang Kraft erzählt, dass er abends oft an der Alme entlang bachaufwärts wandere. Einer seiner Lieblingsorte ist der Uhu-Felsen, von dem aus er wie ein Greifvogel das Mühlental überblicken könne. „Hier oben schalte ich ab, komme zur Ruhe, denke nochmal über den Tag nach.“ Er hat lange bei der Volkshochschule gearbeitet, nahm oft an naturkundlichen und geschichtlichen Exkursionen teil. So wurde der Quellen-Erzähler mit der Zeit selbst zur sprudelnden Erzählquelle.
Heute sind Quelle, Bach und die umgebende malerische Landschaft ein Magnet für Naturliebhaber. Botaniker freuen sich, seltene Pflanzen wie das Pyrenäen-Löffelkraut anzutreffen, Ornithologen über den Gesang von Mönchsgrasmücke und Rotkehlchen und die Möglichkeit, den Eisvogel, dieses fliegende Juwel, beim Fischen zu beobachten. Für den still Lauschenden sind spirituelle Qualitäten wie Klarheit und Ewigkeit spürbar. Denn hier sprudelt es schon seit Menschengedenken. Schöpfung in Aktion, immer gleich, immer anders, immer Anfang.
Autor: Michael Gleich
Geheimnisvoll aus den Tiefen gefalteter Gesteinsschichten
– ein Murmeln und Glucksen
Blasen kristallklaren Wassers dringen hervor, stetig sprudelnd,
speisen den Quellsee
Glatt seine Oberfläche, Spiegel für Uferbäume, Wolken und
sphärisches Blau
Doch auf dem Seegrund kämmen Elfen
die Blätter der Grundpflanzen in Richtung Strömung,
singen ihre Lieder vom Wachsen und Werden
Lausche hinein in die bewegte Stille
sei dankbar den unsichtbaren Hütern, Bewahrern
des lebensspendenden Elementes Wasser
© Marlies Strübbe-Tewes
Michael Gleich
Parkplatz: Kirche Alme
Am Almer Entenstall dem Wanderzeichen Q folgen und Richtung Buttenberg gehen. Dann um das Mühlental runter zu den Almequellen und wieder zurück zum Entenstall.
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