Diemelsee

Stauseen gehören zum Sauerland. Der Diemelsee ist aber der Einzige der Sauerland-Seen in einem Sauerland-Wanderdorf. Das heißt nicht, dass man an den anderen Seen nicht wandern kann, es heißt vielmehr, dass man am Diemelsee besonders gut wandern kann. Dafür sprechen nicht nur zwei am See gelegene Sauerland-Seelenorte: der großartige Aussichtsplatz auf dem St. Muffert und die Staumauer selbst. Dafür sprechen aber auch die neuesten Biber-Themenwege: Bibos Forscherpfad für Kinder und der Bieber-Thementrail im Mountainbike Trailpark Diemelsee für sportliche Naturfans. 

Bibersanduhren 

Das zweitgrößte Nagetier der Welt hat den Diemelsee für sich erobert. Dort wo nicht gerade Strandbäder, Bootsverleih, Campingplätze und Uferpromenaden sind, hat sich der Biber häuslich eingerichtet – ein wunderbares Beispiel dafür, dass touristische Nutzung sehr wohl direkt neben Natur- und Artenschutz existieren kann. 

Die Staumauer des Diemelsees ist ein Sauerland-Seelenort. Direkt vor ihr liegen die Strandbäder, die Bootsverleiher und etwas weiter aufwärts auch mehrere Campingplätze. Am weitesten von der Mauer entfernt liegen die Naturreservate. Je flacher das Wasser des Diemelsees ist, desto spannender wird es für die Natur. Wasservögel – einheimische ebenso wie durchziehende – paddeln entspannt zwischen im Wasser stehenden Bäumen. Richtige Bruchwälder haben sich hier gebildet. Bei hohem Wasserstand stehen die Bäume komplett im Wasser. Fällt im Sommer der Pegel des Diemelsees etwas, kommt eine Sumpflandschaft zum Vorschein. Beides mögen die Tiere. Die Wanderer müssen auf den trockenen Wegen bleiben, was für beide Seiten von Vorteil ist. 

An dem Morgen, an dem wir Bibos Forscherpfad am Rande des Naturschutzgebietes Diemelsee erstmals ausprobieren, müssen meine Wandergefährten eine große Portion Geduld im Rucksack haben. Ständig setzen sich gefiederte Fotomodelle in Posen und drängen darauf, auf den Sensor gebannt zu werden. Kormorane und Blässhühner, Enten und verschiedenste Gänse sind dabei – graue sowie welche vom Nil und aus Kanada.  Reiher warten geduldig auf Fische, die ihnen direkt in den geöffneten Schnabel schwimmen. Natürlich muss ich bei jedem Tier auf das richtige Licht warten. Immer wieder schaut die Sonne durch die Wolken. Dann gilt es, den richtigen Moment abzuwarten – möglichst mit ausgebreiteten Flügeln. Beim Beobachten lernt man einiges über das Verhalten der Wasservögel. Am Ende geht es vielleicht gar nicht so sehr um das fertige Foto, sondern eher um die vielen auf dem Weg zu ihm eingesammelten Eindrücke. 

Zwischen den Bruchwaldbäumen liegen Asthaufen im flachen Wasser. Die haben nicht etwa nachlässige Waldarbeiter dort liegen lassen. All das sind Werke der wieder heimisch gewordenen Biber. Nur ein Nagetier der Welt ist noch größer als er: das südamerikanische Wasserschwein – sozusagen ein Riesenmeerschweinchen mit bis zu 75 Kilogramm Lebendgewicht. Der Biber bringt es in Ausnahmefällen immerhin auf 45 Kilogramm und auf eine Gesamtlänge inklusive flachem Ruderschwanz von bis zu 1,2 Metern.  

Als ich den ersten knapp armdicken Stamm sehe, den eindeutig ein Biber gefällt hat, bin ich begeistert, so frische Spuren eines Tieres zu finden, das lange aus der Region verschwunden war. Natürlich muss ich eine ausführliche Fotostrecke davon aufnehmen. Wann kommt man solch auffälligen, frischen Tierspuren mal so nahe? Gut, dass gleich daneben eine der neuen Infotafeln aufgestellt ist, die über die Biber und ihre Mitbewohner des Bruchwaldes informieren. Dadurch wird es den übrigen in der Gruppe wenigstens nicht ganz so langweilig. 

Da wussten wir alle noch nicht, was noch auf uns wartet: meterdicke Sanduhren. Anders kann man die dicken Weiden nicht beschreiben, denen die Biber in nächtelanger Schwerstarbeit eine neue Form gegeben haben. Die alten Weidenbäume säumten einmal das innere Ende der Bucht Hagen-Bicke, einer Seitenbucht des Diemelarmes. Jetzt sind sie frisch geschnitzte Kunstwerke im XXL-Format. Nirgends sonst habe ich bisher so eindrucksvoll erleben können, was Biber allein mit ihren Zähnen bewirken können. Die Künstler selbst bleiben aber zunächst verborgen. 

In der Tourist-Information Diemelsee in Heringhausen kann man zumindest mal ein ausgestopftes Exemplar bewundern. Groß und kräftig sieht das Tier aus. Ganz kurios sind aber wirklich die gewaltigen Nagezähne. Ihre Farbe ist ein intensives Orange. Hier kommen wir mit Klaus Hamel von der Tourismusabteilung der Gemeinde Diemelsee ins Gespräch. Er erzählt von weiteren Plänen, die Natur des Diemelsees erlebbar zu machen: „Auch das westliche Ende des Itterarms ist ein Paradis für Vogelfotografen,“ kommt er ins Schwärmen. „Dort werden wir hoffentlich in Kürze eine Ansitzhütte für Fotografen aufstellen können.“ Das wäre natürlich ein Anziehungspunkt für Fotografen aus dem ganzen Sauerland. Gefiederte Models sind garantiert. Mit der nötigen Geduld und Ruhe könnte man aber auch den Star des Sees vor die Linse bekommen. Wichtig bei all diesen Fotobemühungen ist nur eines: Die Tiere sind im Naturschutzgebiet zu Hause, die Fotografen nur geduldete Gäste. Die Privatsphäre der Bewohner gilt es zu respektieren und unbedingt auf den Wegen zu bleiben, damit das Nebeneinander von geschützter Natur und Tourismus auch weiterhin so gut funktioniert. Wer aber Lärm und Hektik hinter sich lassen kann, wird hier großartige Naturstunden verbringen können. 

Klaus-Peter Kappest

Videoimpressionen zum Winterlicht am Diemelsee

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