Kirchhundem-Kohlhagen (51.044686 | 8.076475)
„Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen: Woher kommt mir Hilfe.“ (Psalm 121). Das Ehepaar ist von unten aus dem Dorf hochgewandert. Nun stehen die Beiden und sprechen mit Schwester Thomasa an den Stufen der Wallfahrtskirche. Man unterhält sich über Gartenkräuter. Als sie sich verabschieden, wünscht ihnen die Nonne noch einen „wunderschönen Tag“. Beide drehen sich nochmal um, die Frau sagt: „Ehrlich gesagt ist das heute nicht so ein schöner Tag.“ Schwester Thomasa mustert sie mit wachen Augen, wartet ab. Die Frau zögert, es ist sichtbar, dass sie mit sich ringt. Dann sagt sie: „Heute bekam unser Sohn die Diagnose. Krebs. Deshalb sind wir hier hochgekommen.“ Woher kommt Hilfe? – „Wir werden an Ihren Sohn denken“, sagt die Schwester, „wir schließen ihn in unsere Gebete ein. Ich wünsche Ihnen jetzt ganz viel Kraft.“
Als sie gegangen sind, sagt die Schwester zu mir: „Sehen Sie…“ Vorher hatten wir darüber gesprochen, was ihr solche Freude macht, eine Pilgerstätte zu betreuen: „Die Menschen kommen immer mit einem Anliegen. Ein Familienmitglied ist krank. Jemand liegt im Sterben. Eltern sorgen sich um ein Kind, das auf die schiefe Bahn zu geraten droht.“ Und was kann sie dann tun? „Einfach da sein. Zuhören. Die Menschen wissen, dass alles, was sie mir anvertrauen, in meinem Herzen gut aufgehoben ist.“ Das ist wahre Präsenz, denke ich: empfangen, zuhören, mitfühlen.
Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen...“ In manchen Jahren machen sich 30.000 Pilger auf den Weg auf den 500 Meter hoch gelegenen Kohlhagen. Um zu beten, um in schweren Zeiten Trost zu suchen, oder um sich, wie es ein Pfarrer ausdrückte, „von der Mutter Gottes den Rücken frei halten zu lassen“. Für sie ist die Wallfahrtskirche eine Krafttankstelle. Angezogen werden sie von einer Pietà aus dem 15. Jahrhundert. Sie dominiert, wiewohl von kleiner Statur, den linken Seitenaltar. Sie wirkt urwüchsig, eher grob aus dem Holz geschnitzt, irgendwie passend zur herben Landschaft der Berge und Täler ringsumher. Was mich aber fesselt, sind ihre Haltung und der Gesichtsausdruck. Sie, die gerade einen schweren Verlust zu verkraften hat, den grausamen Kreuzestod ihres geliebten Sohnes, scheint… ja, wohin zu schauen? Je nach Blickachse richtet sie sich auf ihren Sohn aus oder blickt seltsam leer in die Ferne.
Drei Finger der linken Hand legt sie sich aufs Herz – weist sie auf die Dreifaltigkeit von Gottvater, Sohn und Heiliger Geist hin? Und dann die Gesichtszüge: Weil ich gewohnt bin, das Gesicht einer Pietà von Schmerzen gezeichnet zu sehen, meinte ich das anfangs auch hier zu erkennen. Aber je länger ich verweile und sie auf mich wirken lasse, desto mehr scheint sich ihr Gesicht zu entspannen. Es zeigt Güte. Eine seltsame Ruhe. Sogar Freude über das „Es ist vollbracht“?
Womöglich ist es diese Vieldeutigkeit, die Trostsuchende in Scharen anlockt. Die meisten zu Fuß, auf den vielen Kreuzwegen, die zum Kohlhagen führen. Schulklassen und Kindergärten kommen zunächst in Bussen, um dann, nach einem fröhlich-lärmenden Picknick am Rande des Versammlungsplatzes, ungewöhnlich still zu werden. Und schließlich, alle zwei Jahre, die Wallfahrer zu Pferde und in Kutschen. Sie werden dort auch in Zukunft Segnung und Beistand finden. Die „Armen Dienstmägde Jesu Christi“ werden durch Pallottiner Pater abgelöst, die auf Kohlhagen künftig ein geistliches Zentrum leiten wollen. Die Gastlichkeit für alle, ob es ihnen gerade gut oder schlecht geht, die bleibt. Die Madonna auch. Sie ist schon seit 500 Jahren da. Und schaut auf den Sohn, in die Ferne, auf die Beichtenden und Bittenden, rätselhafter als die Mona Lisa.
Autor: Michael Gleich
Michael Gleich
Wanderparkplatz Wegescheid (zwischen Kirchhundem - Wirme und Varste)
Kurze abwechslungsreicheund bequeme Rundtour, ohne große Höhenunterschiede (mit Ausnahme von wenigen kurzen Steigungen), mit kulturellem Highlight (Wallfahrtskirche) und Einkehrmöglichkeit.
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