Hollenhaus

Schmallenberg-Bödefeld (51.229258 | 8.390949)

Haben und Sein

Moosbewachsener Felsen inmitten eines Laubwaldes, von dem die Bödefelder Hollensage erzählt

Auf dem Parkplatz, am Ortsrand von Bödefeld, sagt mein Begleiter, der Fotograf Klaus-Peter Kappest: „Das ist gar kein Felsen, zu dem wir jetzt gehen. Das ist ein Hollenhaus.“ Dann erzählt er die Legende von den Hollen. Das seien gute Waldwesen gewesen, die tief eingegraben im Gestein gehaust hätten. Freundlich seien sie zu freundlichen Menschen gewesen, hilfreich in der Not. Besonders liebten sie die Bödefelder Kinder, die gerne in der Nähe des Felsens spielten. Ihr selbstvergessenes Spiel rührte sie, und sie gesellten sich gerne zu ihnen. Abends, wenn die Kleinen zurück ins Dorf mussten, schenkten sie ihnen kleine, wunderschöne, glänzende Steine. Für die Kinder waren es nichts als Geschenke, die ihr Herz erfreuten. Doch ihre Eltern sahen: Das ist pures Gold! Die Gier der Erwachsenen erwachte. Sie wollten mehr. Beim hohen Felsen im Wald suchten sie das Versteck des Schatzes, um ihn zu rauben. Zur Strafe verstopften die Hollen alle Eingänge und verwandelten so ihr Haus in einen riesigen Felsen. Sie wurden nie wieder gesehen.

 

Seit Jahrhunderten berührt das Hollenhaus die Menschen in der Umgebung. Die alte Legende, die sie von Generation zu Generation weitererzählen, ist ein Ausdruck dieser Resonanz. Sie verortet weise Einsichten: dass der Wunsch zu haben das unbeschwerte Sein zerstört; dass Gier verhärtet; wie Erwachsene die kindliche Unschuld verlieren.

Wir nähern uns dem Hollenhaus auf einem Forstweg, der sanft ansteigt. Es hat zu regnen begonnen, erst leicht, dann in Bindfäden, und jetzt, als wir auf dem Aussichtspunkt oben auf dem Felsen angekommen sind, prasselt Hagel auf uns nieder. Wir sind uns einig: Sobald wie möglich zurück ins Trockene. Doch dann hört der Hagel abrupt auf, die Sonne kämpft sich durch, und wir werden Zeugen eines göttlichen Schauspiels. Der dick mit Moos gepolsterte Waldboden beginnt zu dampfen. Nebel steigt auf. Sonnenstrahlen durchdringen das Kronendach der Buchen, fächern sich auf, als würde ihr Licht durch farbige Kirchenfenster gebrochen.

Die knallgelben Flechten, die sich auf der Unterseite des Felsens ausbreiten, beginnen zu leuchten. In dieser Kulisse wirken die kahlen Stämme abgestorbener Bäume wie Säulen und Pfeiler eines mächtigen Doms, die großen Baumpilze daran wie steinerne Skulpturen. Mir fällt der Anfang des Gedichts „Die Kirche der Natur“ ein:

Es ist der Wald wie eine Kirche,drum geh mit Andacht Du hinein,dort singen Vöglein frohe Lieder,mit Deinem Gott bist Du allein!Dort findest Du Dome, weite Hallen,doch auch Kapellen, groß und klein,drin laden moosbedeckte Bänkezur stillen Andacht freundlich ein.
 

Mein Begleiter empfindet ähnlich. „Wir leben in einer vom Menschen durch und durch gestalteten Landschaft. Äcker und Wiesen, Straßen und Wege, angelegte Forste“, sagt Klaus-Peter. „Aber hier, beim Hollenfelsen, da bricht so ein Brocken urwüchsiger Natur aus dem Boden. Das ist für mich die große Kathedrale des Waldes, wo ich mich der Urkraft der Natur und Gott näher fühle als an anderen Orten.“ Resonanz lässt sich nicht herstellen. Sie geschieht. Jedoch lassen sich Bedingungen nennen, die förderlich sind, damit in Menschen etwas zum Schwingen kommen kann. Langsamkeit. Muße. Stille, Sinnlichkeit. Und auch die Geschichten, die sich um einen Ort ranken. Ich sehe, was ich weiß. Die Sage vom Hollenhaus löst Gedanken aus: Wie oft zerstört das Habenwollen das freie Sein, die unschuldige Freude, das selbstvergessene Spiel. Ist es nicht so, dass ich gerade jetzt unbedingt ein Foto von der Waldkathedrale haben will (um es später als Trophäe vorzuzeigen) – statt einfach darin zu verweilen, da zu sein, den Moment sich zur Ewigkeit dehnen zu lassen, wie ich es auch schon oft beim Wandern erlebt habe?

Am Beispiel des Hollenfelsens wird deutlich, wie wichtig es ist, gute Bedingungen zu schaffen, damit uns ein Ort berühren kann. Auf dem Aussichtspunkt oben auf den Klippen haben wir zwar eine schöne Sicht ins Tal, spüren jedoch weniger Resonanz als auf dem neuen Pfad, der vom Forstweg aus hoch auf den ehrfurchtsgebietenden Felsen führt. Der langsame Aufstieg eröffnet immer neue spektakuläre Blicke auf die steile Wand. Schritt für Schritt, ein Herantasten, ein Einlassen. Felsskulpturen treten hervor, in die wir Fabelwesen hinein fantasieren. Wir genießen das Farbenspiel von Flechten und Moosen, den Tanz von Nebel und Sonne. Die geschickte Dramaturgie des Heranführens lässt den Ort „im besten Licht erstrahlen“.

Autor: Michael Gleich

 

The legend of the Hollenhaus triggers thoughts: How often the desire to have destroys the free being, the innocent joy, the self-forgetful play.

Michael Gleich

You can get to the Hollenhaus via the following variants:

Start parking lot "Playground": a beautiful, but a little further way.
Start parking lot "Unter dem Nonnenstein": a specially created path , here the Bödefeld have painted a few Hollen on the trees suitable for children.
Start hiking portal at the church in Schmallenberg-Bödefeld: Golddorfroute Bödefeld/Hollenpfad

For further information please contact the Schmallenberg Sauerland Tourism: Tel: 02972/9740-0, E-Mail: info@schmallenberger-sauerland.de

Did you know...?

Every year on the last weekend in May everything "that has legs" meets in the nature village Bödefeld. The Bödefeld Hollenmarsch invites hikers, Nordic walkers and runners to take the ten different hiking and running routes under their feet.